Was sind Jahreskreisfeste und warum feiert man sie?
Zeit wird heute meist linear wahrgenommen. Wir denken größtenteils z.B. von Neujahr bis Silvester, bis zum nächsten Wochenende, bis zur Pensionierung, oder von der Geburt bis zum Tod. Naturvölker rund um die Erde vertreten jedoch die Ansicht, dass die Schöpfung einen zirkulären Verlauf nimmt, dass das ganze Leben, wie auch die Natur, in einer kreis- oder spiralförmigen Bahn abläuft. Es beginnt immer wieder von vorn, bzw. es gibt keinen Anfang und kein Ende. So bezieht sich der Begriff Jahreskreis auf den immer wieder von neuem beginnenden Kreislauf der Natur, auf den Lauf der Sonne und des Mondes, auf die sich wandelnden Jahreszeiten und Zeitqualitäten.
Früher hatten die Menschen nicht den Schutz vor Witterungseinflüssen durch moderne Gebäude, sie hatten kein künstliches Licht das die Tageszeit in die Nacht hinein verlängern konnte, und sie hatten keine modernen Heizsysteme wie wir. Daher waren sie viel näher mit der Natur und ihren Rhythmen verbunden. Sie lebten MIT der Natur und hatten ihre Lebensweisen an den Jahresablauf angepasst. Sie wussten genau wann die Aussaat zu erfolgen hatte, wann die Ernte einzubringen, und wann die Zeit der Ruhe und Regeneration war. Sie wussten aber genauso wann es Zeit war ihre Vorfahren und Ahnen zu ehren, wie auch wann die Zeit zum enthusiastischen, freudigen Feiern des Lebens war. Und so gab es in den meisten archaischen Kulturen ein Jahresrad, meist in acht verschiedene Qualitätsabschnitte gegliedert. Diesen acht Energien entsprachen acht verschiedene Feste, die sich über das Jahr verteilten. Vier Sonnenfeste und vier Mondfeste. Jahreskreisfeste kennen wir heute auch aus dem christlichen Jahreskreis, der sich aus vorchristlichen Strukturen entwickelt hat.
Die Unterschiedlichkeit der Zeitqualitäten ist leicht nachvollziehbar. Wenn z. B. im Frühling Blätter wachsen ist es viel leichter mit neuen Projekten zu beginnen, als im Herbst wenn die Blätter von den Bäumen fallen. Umgekehrt passt Ahnenverehrung am besten in die dunkle Jahreszeit im November.
Aufgrund meiner österreichischen Herkunft orientiert sich meine Arbeit am keltischen Jahreskreis, da dies die Kultur meiner Vorfahren ist.
Warum macht es in der heutigen Zeit Sinn Jahreskreisfeste zu feiern?
Wir Menschen sind Teil der Natur. Aber wie sehr spüren wir das noch? Heutzutage leben wir im Stress. Wir hetzen von Termin zu Termin, privat genauso wie beruflich. Unsere Welt wird immer technisierter und automatisierter, und sie dreht sich immer schneller und schneller. Wir funktionieren, anstatt zu leben. Wir leiden an Burnout und sterben, wenn nicht an Krebs, dann an einem Herzinfarkt. Wir entfremden uns immer mehr von unserem natürlichen Ursprung.
Manche Kinder glauben Kühe wären violett und Salat würde im Kühlregal des Supermarkts wachsen. Wir lassen uns mit Chemie vollpumpen, weil uns eingeredet wird, das würde uns heilen, wundern uns aber über steigende Krebsraten und zunehmende Autoimmun- oder Nervenkrankheiten. Zudem bauen wir Häuser mit Stahlgittern in den Wänden die das natürliche Magnetfeld der Erde verändern, mit Materialien die uns krank machen, mit Materialien deren Herstellung Unmengen von Energie verschlingt und die zudem nicht entsorgbar sind. Wir haben nur mehr wenig Gefühl für die Natur, oder die natürlichen Abläufe und Rhythmen des Lebens.
Auf Dauer kann es meiner Meinung nach so nicht weiter gehen. Wenn wir nicht selbst beginnen unser Leben wieder natürlicher zu gestalten, wird uns vielleicht Mutter Erde irgendwann dazu zwingen. Das Wiederbeleben und Zelebrieren von Jahreskreisfesten ist ein Weg (von vielen) diesem Hamsterrad, zumindest zeitweise, zu entkommen. Es bietet Beschäftigung mit den Ursprüngen des Menschseins, Beschäftigung mit sich selbst, seinen inneren Bedürfnissen, aber auch Widerständen und Ängsten. Es hilft sich selbst wieder mit der Natur zu verbinden, sich wieder als wichtigen Teil der Natur wahrzunehmen.
Rituale allgemein sind grundsätzlich hilfreich um sich auf eigene innere Veränderungsprozesse vollends einzulassen. Rituale erfüllen tiefe menschliche Sehnsüchte und geben uns Sinn und Tiefe.
Bild: DI Wolfgang Rudolf Walch